Rund gedacht……. Teil 3

Rund gedacht! Eine Serie mit und über die Menschen die rund um uns leben, denen wir vielleicht auch täglich begegnen, aber nichts über sie wissen!

Dieser Bericht erreichte mich gestern Abend. „Das“ Schreiber möchte nicht namentlich genannt werden ist mir aber persönlich bekannt und nachdem ich das gelesen habe, weiß ich auch warum es sich in der annonymität wohler fühlt.

Ganz viele unter uns lesen das und werden sicher denken: „das könnte auch von mir sein!“ Ja? Es aufzuschreiben und zu versuchen die Menschen zu erreichen, ist ein ganz wichtiger Schritt.

Genauso wichtig ist es zu zuhören, wenn sich jemand öffnet und nicht zu versuchen es herunter zu spielen! „So hat jeder sein Päckchen zu tragen“ mag ja wahr sein, aber das Päckchen das man selbst gerade trägt, ist ofmals schwerer, als das von jemand anderem.

„Das“ Schreiber ist ein hochsozialer Mensch und kümmert sich mit Hingabe um andere, solange es in der Lage dazu ist!!!

Ich danke Dir für Deine offenen Worte und ich bin froh, dass wir uns gefunden haben……

Und nun, lest selbst…….

Mein Leben mit dem Kranksein

Oft werde ich gefragt: wie geht es dir? Das ganze meist mit so einem mitleidigem Unterton…Das eine ist, dass ich gar nicht ständig sagen möchte, wie es mir gerade geht, oft kann ich mich selbst kaum reden hören und bin genervt von mir selbst, wenn ich wieder nur nichts anderes zu sagen habe, als dass es mir schlecht geht, dass ich oft Schmerzen habe und am liebsten den ganze Tag nur im Bett verbringen möchte. Andererseits können die meisten Menschen gar nicht damit umgehen, wenn es mir schlecht geht und wissen dann nicht, was sie antworten sollen. Beendet wird das Gespräch meist mit so Sätzen wie: naja, so hat eben jeder sein Päckchen zu tragen…(Nur damit das nicht falsch verstanden wird, das ist mir durchaus bewusst und ich sehe mich nicht als jemand, der das Leid für sich gepachtet hat) Aus diesem Grund sage ich eigentlich kaum einem Menschen, wie es mir wirklich geht. Auch möchte ich mich nicht mehr erklären müssen, oder besser noch verteidigen müssen, warum ich diese oder jene brandneue homöopathische Therapie nicht machen möchte. Jeder, oder sagen wir vielmehr fast jeder fühlt sich berufen, mir zu sagen, was ich noch alles ausprobieren könnte, oder welche Ursachen meine Erkrankung haben kann. Wenn ich das dann ablehne, bin ich in deren Augen quasi selbst schuld.

In den letzten zwanzig Jahren habe ich Unsummen ausgegeben, für alle möglichen Therapieformen; das ganze immer verbunden mit der Hoffnung, dass es mir endlich besser geht. Am Ende war es dann nicht besser als vorher, ich nur um eine Erfahrung reicher.

Am Anfang waren es nur die Schmerzen, die mich fast täglich begleiteten. Als ich 16 war bekam ich quasi von einem auf den anderen Tag diese chronischen Schmerzen. Tage, an denen es mir gut ging, konnte ich an einer Hand abzählen. Wenn man in dem Alter zum Arzt geht, um sich Hilfe zu holen, muss man teilweise ein echt dickes Fell haben: „sie sind doch noch so jung“, ist einer dieser Sprüche von zumeist ratlosen Ärzten, die sich oft auch weigerten, mich anständig medikamentös einzustellen, eben genau im Hinblick auf mein Alter. Als ob mein Alter so etwas, wie ein Ausschlusskriterium wäre….Ich habe mich vermutlich ähnlich ernst genommen gefühlt, wie eine 80jährige Frau, der der Orthopäde sagt, dass ihre Beschwerden nunmal vom Alter kommen (Zum Glück habe ich mittlerweile einen sehr fähigen Arzt).

Und dann erst meine Freunde, die alle nur „Party machen“ im Kopf hatten und so überhaupt nicht verstehen konnten, dass ich meine Kräfte einteilen musste.

Mit der Schule war das auch so eine Sache, zum Glück konnte ich mir irgendwann meine Entschuldigungen selbst schreiben.

Im Nachhinein betrachtet, war die Schul- und die anschließende Studienzeit sogar noch gut machbar, denn meist konnte ich mir die nötigen Auszeiten nehmen. Nach dem Studium bekam ich die ersten großen Probleme: Kranksein habe ich mir sozusagen verboten und ich stellte wahnsinnig hohe Ansprüche an meine Arbeit, mein Job an sich war nicht schon anspruchsvoll genug. Erholungsphasen gab es jetzt gar nicht mehr. Nicht lange, und ich bekam meine erste depressive Episode.

Das schwierige nach außen hin ist, dass man mir nicht ansieht, dass ich krank bin. Das macht es für das Umfeld (Freunde, Kollegen, Familie und meinen Partner) nicht einfach, zu verstehen, dass ich oft einfach nicht kann, vor Schmerzen fast wie gelähmt bin und während der depressiven Phasen schon Mühe habe, morgens aufzustehen.

Vor allem wie sich eine Depression auswirkt, kann wirklich nur jemand verstehen, der es selbst schon einmal erlebt hat.

Mir fällt es ja selbst oft schwer, das nachzuvollziehen, wenn ich gerade keine Episode habe.

Alles liegt dann so schwer auf mir, dass ich eigentlich ein völlig anderer Mensch werde. Ich grübele immerzu, habe ständig Angstzustände oder Panikattacken, traue mich nicht unter Menschen bzw. wünsche mir, dass mich niemand mehr wahrnimmt (gleichzeitig weiß ich, dass ich mir selbst, wenn ich alleine bin nicht guttue), ich könnte ständig und wegen allem weinen, einfache Erledigungen nehme ich als absolut unüberwindbar wahr (ein Einkauf z.b. Ist für mich dann so anstrengend wie für andere ein ganzer Arbeitstag), ich sorge nicht gut für mich (indem ich z.b. nicht ausreichend esse), außerdem nehme ich mir alles extrem zu Herzen. Ich habe einmal gelesen, dass eine Depression vergleichbar ist mit einer Lähmung der eigenen Willenskraft, und ich finde, das trifft es sehr gut.

Und trotzdem finde ich, dass ich, neben all dem, was mich manchmal echt verzweifeln lässt, auch ein ganz tolles Leben habe. Ich habe das Glück den tollsten Mann der Welt zu haben, der immer Verständnis hat, auch wenn er gerade nicht nachvollziehen kann, was mit mir los ist.

Wir haben zusammen ein wunderbares Kind, dass mir gezeigt hat, was wirklich wichtig ist, im Leben. Meine Familie geht mir über alles und ich bin so dankbar, dass ich sie habe. Ich glaube sogar, dass ich durch meine Erfahrungen mit der Erkrankung mein Leben mit ihnen sehr bewußt wahrnehme und gestalte, denn ich weiß, dass nichts selbstverständlich ist. Es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht ändern; man kann höchstens ändern, wie man damit umgeht. Das versuche ich mir immer wieder zu sagen.

Ich lerne gerade mit all dem umzugehen, es zu akzeptieren. Allerdings heißt akzeptieren in den Fall nicht, aufzugeben. Ich kenne meine Grenzen und versuche, nicht darüber hinauszugehen, indem ich mich z.b. Extremen Belastungen aussetze. Mittlerweile gestehe ich mir ein, nicht immer hundertprozentig funktionieren zu müssen. Wer ist schon perfekt?!

Ich würde mir nur wünschen, dass manche Menschen etwas mehr nachdenken. Und damit meine ich nicht, dass jeder immerzu Rücksicht auf mich nehmen soll. Ständig werde ich z.b. gefragt, ob ich nicht noch ein Kind möchte. Ja, ich wünsche mir eigentlich sehnlichst noch ein Kind, weiß aber nicht, ob ich das dann noch alles so schaffen würde. Ich bin dankbar für mein Kind, und tue alles dafür, dass es kaum darunter „leiden“ muss, dass ich nicht immer so kann, wie ich gerne würde. Aber würde mir das bei einem zweiten Kind auch noch so gelingen?

Viele Menschen wissen gar nicht, wie gut es ihnen geht, wenn z.b. ein Problem darin besteht, nicht zweimal im Jahr in den Urlaub fahren zu können.

Wir sollten den Fokus viel mehr auf die Dinge im Leben legen, die uns glücklich machen.

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Ein Gedanke zu “Rund gedacht……. Teil 3

  1. Ein wundervoller Artikel und insbesondere das am Ende des ersten Absatzes gesagte, kann ich sehr gut nachvollziehen. Es gibt viel zu viel Lieschen-Müller-Küchenpsychologie in diesem Bereich und gerade bei schweren Erkrankungen sollte wirklich erstmal gründlich nachgedacht werden, bevor man Betroffenen mit Spekulationen wie „zu viel Stress ausgesetzt“, „falsche Ernährung“, “ fehlender Glaube“ kommt. Denn: Was warum auch immer erkrankte Menschen gar nicht brauchen, ist das Gefühl, selbst Schuld zu sein oder zu wenig getan zu haben. „Rundgedacht“ möchte ich sagen, Anteilnahme und Mitgefühl müssen ja auch nicht immer mit guten Ratschlägen einhergehen.

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